Traditionsfiguren und -bräuche der Walldürner Faschenaacht

Häärle und Frääle

Häärle und Fräle, auch Großmütterle genannt, zogen und ziehen während der ganzen Faschenaachtszeit als Paare oder in größeren Gruppen jeden Abend von Wirtschaft zu Wirtschaft, um die dort Anwesenden zu necken, um Ihnen, insbesondere den sog. Honoratioren, mit verstellter, hoher Stimme deutlich, aber witzig, nett und nicht beleidigend vorzuhalten, was Sie im Laufe des Jahres angestellt haben oder was Ihnen zugestoßen ist. Es ist die Walldürner Form des anderswo in Süddeutschland als Narrengericht oder ähnlich geübten Narrenbrauches närrischer Kritik.

Häärle und Fräle erschienen in alten Trachten oder in anderen Gewändern Ihrer Vorfahren die dadurch – von Standpunkt des Volkskundlers und Museumsleiters aus betrachtet, leider – vollständig aufgetragen wurden, um schließlich als unbrauchbar in der Mottenkiste zu landen. Gar manche ältere und alte Bürgerinnen und Bürger Walldürns erzählen immer wieder gern von der Zeit, als Sie noch – noch ungebunden oder auch schon als mehr oder weniger würdige Eheleute – unerkannt, oftmals auch, wenn Sie befürchteten, erkannt zu sein, unter sich die Gewänder austauschend, neckend durch die Lokale Ihrer Heimatstadt zogen.

Schlumpeln

Die Schlumpeln sind die derberen Nachfahren von Häärle und Fräle. Das durch die Zeit im allgemeinen und durch die Kriegszeiten insbesondere herbeigeführte Verschwinden der schönen alten Trachten und der oft sehr vornehmen und feinen, mit Stickereien verzierten Gewänder führte fast automatisch dazu, daß die Kostüme, besonders nach dem zweiten Weltkrieg, unansehlicher wurden.

Das führte teilweise in bewußter Reaktion dazu, daß die vielfach absichtlich nur in Lumpen gekleideten, oft wenig repräsentativen Schlumpeln entstanden, die dann vielfach, auch durch ihr Kostüm dazu verführt, in Ihren Späßen derber wurden

Der Domino

Auch das Aufkommen des Dominos hängt mit dem Verschwinden der alten Trachten zusammen. Wer nicht den Abstieg zur Schlumpel mitmachen wollte, suchte ein neues, ebenso verhüllendes Gewand. Dafür bot sich der verhältnismäßig leicht herzustellende Domino fast von selber an.

Die Möglichkeit ihn rasch an- oder auszuziehen, ihn rasch mit anderen zu wechseln, empfahl ihm außerdem. Im Interesse der Pflege Walldürner Faschenaachtsbrauchtums läge es aber, wenn die junge Generation für ihn den Dürmer Klaun wählte

Der Klohn ist seit der Barockzeit traditionell

In der mainzischen Stadt Walldürn – von 1924 bis 1803 war der Erzbischof und Kurfürst von Mainz ihr Landesherr – wurde wohl schon im Mittelalter Fastnacht gefeiert, nachdem es Brauch geworden war, sich für die strengösterliche Fastenzeit vorweg mit Eß- und Trinkgelagen und lustigem Treiben zu entschädigen. Die Kirche duldete, ja förderte dies, nahm aber später diese Position zurück. Es war zu Ausschreitungen gekommen, zur Kritik der Reformation am „papistischen“ Unfug der Narretei, zum allgemeinen Sittenverfall in 16. Jahrhundert. Walldürns energischer Pfarrherr Jodokus Hoffius wetterte deshalb nicht ohne Grund von der Kanzel gegen das Tanzen, Saufen und spielen seiner Pfarrkinder. Seine Predigten dauerten gewöhnlich drei bis vier Stunden und enthielten Äußerungen wie die, daß es eine kleinere Sünde sei, ganz Walldürn anzuzünden, als hier nur einen einzigen Tanz zu gestatten. Die Walldürner ließen sich dies übrigens nicht bieten und beschwerten sich über Hoffius bei dessen Vorgesetzten.

Gleichwohl: Das 16. Jahrhundert war dem Fasnachtstreiben wenig günstig, und danach folgte bis 1648 der 30-jährige Krieg. Erst im späten 17. Jahrhundert konnte der Frohsinn wieder aufblühen und es kam zur zweiten barocken Hochkonjunktur des Fastnachtsbrauchtums. Neue Anstöße kamen damals von höfischen Kreisen. In den Residenzstädten gab es Hofbälle, und auch in kleineren Amtsorten wie Walldürn wurde von der Beamtenschaft zünftig gefeiert. Dabei trugen herumreisende italienische Theatergruppen zum Vergnügen bei. Hierbei spielte der „Bajazzo“ als Possenreißer eine große Rolle. Der „Hans Wurst“ des deutschen Volksschauspieles hatte die gleiche Funktion. Diese „lustigen Personen“ waren in weiße Gewänder gekleidet, da die Farbe Weiß schon im Mittelalter als Farbe des Närrischseins galt. Ob damals auch in Walldürn Schwänke und Possen mit dem „Bajazz“ aufgeführt wurden, ist unbekannt. Sicher ist, daß damals die Hauptstadt Mainz in ihr Fastnachtsbrauchtum Einflüsse aufnahm, die vom Schauspiel ausgingen.

Mainz kennt bis heute den „Bajass“ im weißen Gewand und die Abwandlung des „Schnibbelbajass“, der ein Verwandter des „Huddelbätz“, und bei dem das Kleid mit Papier- oder Stoffstreifen besetzt ist (eine Abbildung in Carl Zuckmayers Lebenserinnerungen „Als wär´s ein Stück von mir“). Im Mainzer Gebiet wurde der „Bajazz“ bald insgesamt volkstümlich und dies ließ ihn auch in Walldürn zur typischen Fastnachtsfigur werden. Daß er hier „Klohn“ heißt, hängt vieleicht damit zusammen, daß – einer Erinnerung von Kurt Löhr zufolge – als „Bajazze“ sämtliche Fastnachtsnarren bezeichnet wurden. Nachdem es in Walldürn zu dieser Entwicklung gekommen war, mußte für den eingentlichen „Bajazz“ ein neuer Namen gefunden werden. „Klohn“ wurde dann wohl vom Zirkus-Clown geborgt. Doch blieb stets auch der Ausdruck „Bajazz“ volkstümlich. Die älteste volkstümlichste Darstellung eines Walldürner Klohn findet sich hier auf einem Backmodel der Zeit um 1780, das im Heimatmuseum aufbewahrt wird. Es zeigt eine springende Narrengestalt in noch zweiteiligem Klohnanzug, auf dem Kopf eine lange Zipfelmütze, um den Hals die Halskrause, die Schuhe mit „Dollen“ besetzt. Über die Schulter hängt am Stock ein Gegenstand, der als „Saublöschle“ gedeutet werden könnte. Die Saublase gehörte noch lange zur Ausrüstung des Klohn, ebenso der „Bätscher“ (früher aus Holz gesägt und bis zu einem Mter lang).

Das Klohnkostüm war jedoch später einteilig und man nimmt dazu nicht nur weißen, sondern auch gemusterten Stoff (z. B. von alten Vorhängen). Es blieb jedoch die barocke Halskrause und der Spitzhut („Spitzdutte“). Wie das Klohnkostüm der Zeit um 1900/1920 aussah, ist noch mit alten Fotos zu belegen. Das Backmodel ist jedoch wertvoll als bildlicher Frühbeleg einer lokalen Narrengestalt, wie ihn nur wenige Narrenorte vorzuweisen haben. Da die Walldürner Lebküchner ihre Modeln z. T. selber schnitzten, dürfte  die Darstellung aus direkter Anschauung genommen sein: Aus der „Dürmer Faschenaacht“ also.

Peter Assion

Der Strohbär und sein Treiber

Der in Stroh oder Erbsstroh gehüllte, von einem Treiber an der Kette geführte, von einem Musikanten begleitete Strohbär, eine bei dem Vorfrühlingsfest Fastnacht ursprünglich den Winter verkörpernde Gestalt, ist eine im Odenwald und den angrenzenden Gebieten uralte Figur. Am Faschenaachtsmontag (Rosenmontag) sammelten – ein alter Heischebrauch – der Strohbär und sein Treiber „schwarzen Hawer“ (Hafer) in Gestalt von Speck, Eiern und Faschenaachtsküchle, die dann von der männlichen Jugend gemeinschaftlich verzehrt wurden. In Walldürn wurde der Strohbär nicht, wie Gerüchte sagen, verboten.

Unterdrückt werden sollte nur der eingerissene Mißbrauch, daß als „schwarzer Hawer“ vor allem Geld gewünscht wurde, keine Geldgaben mit Schimpfen quittiert und Lebensmittel schon auf der Treppe oder vor dem Haus weggeworfen wurden. Die Ausrüstung des Strohbärs wird z. Z. immer schwieriger. Das Erbsstroh ist fast völlig verschwunden, und auch das notwendige Langstroh fällt durch die Verwendung der Dreschmaschinen immer weniger an.

Herzlis-Alis

Vom Dürmer Herzlis-Alis und seiner Familie

Der Herzlis-Alis mit seiner Frau und den Kindern ist heute aus der Dürmer Faschenaacht nicht mehr wegzudenken. Dieser hat seinen Ursprung in dem mit der Lebküchnerei verbundenen Gewerbe. Die Walldürner Handelsleut’ waren nicht nur in der Umgebung bekannt, sondern auch in großen Teilen Süddeutschlands. Ein Händler dieser Art war Alois Hess. Im blauen „Mutzen“ und den Kniehosen der heimischen Tracht trug er auf dem Rücken die mit Lebkuchen und anderen Walldürner Zuckerbäckerspezialitäten wie z.B. „Schiffli“, „Schießerli“ und „Magenbrot“ gefüllte „Koize“ (Korb). Dieser „Alis“ (Dürmerisch für Alois) hatte bereits damals die Idee, dass ein um den Hals gehängtes Lebkuchenherz eine gute Reklame ist.

Im November 1951 kam man nun bei der KAGEFA auf die Idee, einen „Herzlis-Alis“ als Dürmer Faschenaachtsfigur aufzunehmen. Diese Figur soll die seit Jahrhunderten existierenden Walldürner Händler versinnbildlichen, umso mehr auch diese Walldürn in der Fremde bekannt machen und Frohsinn und Freude verbreiten. Bereits beim 2. Fränkischen Narrentreffen in Lauda hatte der „Herzlis-Alis“ (Leo Hefner, Schmalgasse) seinen ersten offiziellen Auftritt. Beim Faschenaachtsumzuuch 1966 trat erstmals die „Herzlis-Alis-Gruppe“ auf (Herbert Englert und einige Kinder). Ein Jahr später begleitete den „Herzlis-Alis“ dann auch seine erste Frau (Egon Zahn, Gasthaus „Zum Engel). Seitdem ist er nie mehr ohne Familie aufgetreten.

Diese repräsentativen Aufgaben bewältigen der Herzlis-Alis und seine Familie meisterhaft. Als Beweis hierfür sind die Auftritte bei den Ministerpräsidenten Filbinger und Späth in Stuttgart, beim Empfang des Kultusministers Mayer-Vorfelder auf dem Walldürner Rathaus, bei der Landesgartenschau in Karlsruhe und nicht zuletzt das Auftreten bei den Narrenring-Umzügen und Festlichkeiten jeglicher Art während der Faschenaacht in Dürn zu nennen.

Eines kann mit Gewissheit betont werden, dass sich die Herzlis-Alis-Gruppe zum Repräsentant der Stadt Walldürn entwickelt hat, was auch das Walldürner Stadtprospekt von 1978 und diverse Berichte in Rundfunk und Fernsehen unterstreichen.

Schwarzer Hawwer

Der schon beim Strohbär erwähnte „schwarze Hawer“ wurde und wird am Rosenmontag auch von der Walldürner Jugend, dem Narren- oder Affensamen, eifrigst eingesammelt. Hierbei wäre es sehr angebracht, wenn sich die Kinder auf Besuche bei Verwandten, Bekannten und bei solchen Geschäften beschränken würden, in denen die Eltern regelmäßig Kunden sind, um sich dort, wie früher vielerorts üblich, in ihrem Köstüm vorzustellen.

Wenn ganze Kinderscharen schreiend und fordernd durch möglichst viele Geschäfte hindurchtoben, behindern Sie den Geschäftsmann und werden für Ihn zur Landplage.